Rechtsurteil - Freie Zone erzielt Sieg vor dem Verwaltungsgericht!
Was zuvor geschehen war
Vor längerer Zeit hatten einige Menschen, die zur Freien Zone (genauer gesagt: zur Ron’s Org) gehörten, in München einen Kindergarten gegründet. Dieser stand allen Kindern offen, und die Erzieherinnen arbeiteten auch nicht speziell „à la L.Ron Hubbard“, und im Großen und Ganzen unterschied sich der Kindergarten kaum von einer normalen Elterninitiative. Die Scientologen zogen sich, als ihre Kinder älter wurden, nach und nach aus der Organisation des Kindergartens zurück, aber der bestand erfolgreich fort. Wie die meisten Kindergärten wurde er auch von der Stadt finanziell gefördert. Eine Freie Scientologin arbeitete dort 2017 nach wie vor als Erzieherin. Dann erhielt die Stadt München einen entsprechenden Hinweis. Obwohl eine Überprüfung des Kindergartens „keine Auffälligkeiten ergab“ und auch keine Beschwerden aus der Elternschaft vorlagen, erhielt der Trägerverein einen Bescheid, der weitere finanzielle Zuwendungen davon abhängig machte, dass keine Personen beschäftigt werden, die nicht die sogenannte „Schutzerklärung“ abgeben, in der u.a. gefordert wird, dass der Mitarbeiter nicht nach den Lehren von L.Ron Hubbard arbeitet bzw. diese anwendet oder verbreitet. Der Trägerverein kündigte daraufhin der Freien Scientologin.
Das rechtliche Vorgehen
Die Betroffene einigte sich mit dem Verein zwar vor dem Arbeitsgericht. Sie klagte aber dann, unterstützt von etlichen Mitgliedern der Ron’s Org und einem sehr guten Anwalt, gegen die Stadt München vor dem Verwaltungsgericht. Sie war nämlich der Ansicht, dass ihr weiterer beruflicher Werdegang rechtswidrig behindert werde – bei welchem Kindergarten hätte sie noch eine Anstellung finden können, wenn Ihr überall die Schutzerklärung vorgesetzt wird?
Das Urteil
Das Verwaltungsgericht München (Urteil vom 28.12.2022, Az. M 30 K 19.2699) folgte der Argumentation der Klägerin. Der Stadt München wurde verboten,
„…Förderung von Eltern-Kind-Initiativen…von der Abgabe und Einhaltung einer Schutzerklärung abhängig zu machen, durch die sich der Einrichtungsbetreiber verpflichtet, Personen von der weiteren Durchführung der geförderten Aufgabe [sprich: von der Arbeit in der Einrichtung] unverzüglich auszuschließen, die während des Förderzeitraums als freie Scientologen oder Mitglieder der „Freien Zone“ die Technologien von L.Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten.“
Die Begründung
Der wesentliche Teil der Begründung des Urteils besteht darin, dass die Klägerin in ihrem Grundrecht auf Glaubensfreiheit verletzt wurde, genauer: der durch Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützten Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Dafür muss man nicht Teil einer anerkannten Glaubensgemeinschaft sein – es reichte dem Gericht, dass die Klägerin „ernsthaft an die transzendentalen Inhalte des Gedanken- und Ideengebäudes des Gründers L.Ron Hubbard wie die unsterbliche Seele ‚Thetan‘, die sich nach jedem Tod erneut verkörpern kann [glaubt], und die damit verbundenen Lehren und Technologien von Scientology als für sich verbindlich [empfindet].“
Da durch den Bescheid der Stadt München der Arbeitgeber der Klägerin praktisch gezwungen war, ihr zu kündigen, weil sie (freie) Scientologin war, wurde sie indirekt durch das Verwaltungshandeln in ihrer Glaubensfreiheit beeinträchtigt. Eine Rechtfertigung für einen solchen Eingriff sah das Gericht nicht – insbesondere konnte die Stadt München nicht für sich geltend machen, dass von der Klägerin eine Gefährdung der Erziehung von Kindern ausgehen würde. Dazu reiche es eben nicht, dass eine Person einer scientologischen Organisation zugehört (wie das Gericht ergänzte: „selbst der Scientology-Kirche“). Abgesehen davon habe die Stadt gar nicht die gesetzlich zugewiesene Kompetenz, Erklärungen über religiöse oder weltanschauliche Einstellungen von Personen zu verlangen.
Die Bedeutung des Urteils
Das Urteil als solches ist keine besondere Überraschung, da es schon zahlreiche frühere Fälle gegeben hat, in denen auch höchste deutsche Gerichte klar gemacht hatten, dass die öffentliche Hand Scientologen nicht ihrer Zugehörigkeit zu Scientology bzw. ihres Glaubens/ihrer Weltanschauung wegen diskriminieren darf. Auch die „Schutzerklärung“ war schon öfter Gegenstand von solchen Gerichtsverfahren. Neu ist, dass erstmals ein Mitglied der Freien Zone gerichtlichen Schutz gegen solche inakzeptablen und rechtswidrigen Verhaltensweisen der Verwaltung in Anspruch nahm und auch Erfolg hatte. Der Tenor stellt explizit auf „Freie Scientologen und Mitglieder der Freien Zone“ ab. Die Existenz von „Freien“ Scientologen, die (mindestens) genauso den Schutz des Grundgesetzes in Anspruch nehmen können wie „Kirchen-Scientologen“, ist damit in der deutschen Rechtsprechung angekommen!